Essays

Surreale, dreidimensionale Momentaufnahmen

Matthias Kostner inszeniert mit seinen ästhetischen, fantastisch-realistischen Figuren aus Lindenholz dreidimensionale Momentaufnahmen. Er setzt surreale Pointen, deren zweideutige Aussagekraft den Betrachter beschäftigt, ihn zum Nachdenken anregt. Meist sind es junge Menschen, die der Künstler gekonnt porträtiert und in einen unwirklichen Kontext setzt, so dass sie eine formale, wie geistige Faszination ausstrahlen. Tradition und Gene, Umgebung und Generationen an Künstlern als Vorfahren, lassen den Grödner Künstler in der Kraft des Holzes Aussagen von großer Intensität gestalten. Die Körpersprache, der kühne Blick, ein verschmitztes Lächeln, verschränkte Arme … gekonnte Proportionen, sie haben per se schon eine starke Suggestion; die Sprache des hellen Holzes, betont durch polychrome Akzente in Öl, Acryl, geben dem Werk Kostners seine Besonderheit. Aber es ist nicht allein die formale Vollendung, die der Künstler anstrebt. Es sind Botschaften, Zitate, Bemerkungen, die Matthias Kostner in seinen surrealen Welten mitteilen will: Da überhöht er die Schönheit einer zarten Tänzerin im wehenden schwarzen Kleid und fliegenden Haar durch einen betont hohen, schwarzen Sockel. Dort irritiert er durch eine Katze, durch die wie ein Dolch eiserne Flugzeugflügel dringen, lässt sie zum Spielball werden für den Jungen mit dem Schaltgerät, dem Joystick in der Hand. Metapher für Vernetzung, digitale kalte Welt? Ganz unrealistisch hängt ein schlafender Junge an einer Eisenstange mit Schäfchen ober ihm, die er im Traum wohl zählt. Dann vermittelt Kostner wieder Botschaften des Innehaltens, den Versuch die Balance zu halten – ein schwieriges Unterfangen, im Leben wie in der Kunst. Ästhetisch schön und in sich ruhend wirkt die Sitzende auf einem schwarzen Brett, lässt an Entschleunigung denken, ebenso der Junge, der einen Gekko auf seiner ausgestreckten Hand liebevoll zu betrachten scheint, als ob er nichts mit Bits und Bytes und all der rasanten technologischen Entwicklung unserer Zeit zu tun hätte. Traumhaft, unwirklich ist Kostners Welt. Bambus wächst surreal neben einem Jungen gegen Himmel, und wie aus einem Albtraum wirkt das Krabbeln einer Käferschar auf einer rostigen Eisenstange. Einzelne Figuren Kostners schweben in der Horizontale, andere leben ohne Boden im Nirgendwo. Aufgetragene Ölfarben scheinen sich nach oben zu verflüchtigen, wirken dadurch vergänglich, vorübergehend gleich einer Fata Morgana. So erleben wir auf den ersten Blick dreidimensionale Kunst, wie schon Johann J. Winckelmann sie sich perfekt vorstellte, versetzt in eine surreale Welt. Kostners Werke in ihren klaren Formen erfüllen die jahrhundertealte Maxime einer edlen Darstellung, wechseln aber die Spur, gehen darüber hinaus, denn Matthias Kostner verfremdet seine dreidimensionale Alltagswirklichkeit zu seiner surrealen Welt. Er lässt den Betrachter daran teilhaben, will ihn mitnehmen in seine Träume. „In der Kunst kann der Mensch dem Menschen erscheinen“ (Peter Sloterdijk in „Der ästhetische Imperativ“)

Dr. Ilse Thuile